Die historische Bedeutung der Kunst des Druckens ist die Befreiung des Wortes aus der Bewahrung und Tradierung durch Wenige und damit die Grundlage für jede unzensierte Verbreitung von Wissen, Meinung und Gedanken.
Der Weg von diesem ersten Schritt bis zur Flut der Vervielfältigung unserer Tage ist weit, doch sind auch die Öffnungen und Durchbrüche, bewirkt durch krakenhaft verästelte elektronische Einrichtungen unserer Zeit, im Ansatz nichts Anderes. Diese Medien und Wege schaffen aber, verglichen mit dem einmal in die Welt gesetzten, bedruckten, auf den vielfältigsten Wegen verbreiteten Blatt Papier immer mehr Raum für eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung: jeder Schritt in die weltumspannenden Netze unterwirft uns dem Zugriff von Mächten und Einrichtungen, von deren Existenz wir eher zufällig erfahren und die sich jeder Kontrolle entziehen.
Parallel zur Verbreitung des Wortes entwickelte sich die des Bildes. Auch hier stand bald die Vervielfältigung im Vordergrund: Spielkarten, Orchesternoten, später bildhafte Werbung, Plakate wurden in den verschiedenen Techniken des Hoch-, Tief- und Flachdrucks aufgelegt. Die Technik entwickelte sich rasch und wuchs mit den gesellschaftlichen Vorgaben.
Aber schon früh erkannten bedeutende Künstler ( für viele andere : Schongauer und Dürer) die eigenständige künstlerische Bedeutung der Drucktechniken, indem sie sich die unverwechselbaren Ausdrucksformen ebenso wie die Möglichkeiten begrenzter Vervielfältigung zu Nutze machten.
Die Erweiterung der technischen Möglichkeiten erst durch den Offsetdruck, dann durch die digitale Revolution erweckte den Eindruck, die traditionellen Drucktechniken seien überholt. Betrachtet man nur die Möglichkeit rascher und ökonomischer Vervielfältigung, ist das richtig. Aber schon seit dem 19. Jahrhundert reifte die Erkenntnis, dass die langsam gewachsenen Gestaltungsmöglichkeiten aller kunsthandwerklichen Drucktechniken einzigartig sind. Eine Lithografie oder Radierung, die alle Möglichkeiten der künstlerischen Gestaltung des Druckstocks nutzt, kann nur mit den besonderen Mitteln dieser Technik hergestellt werden. Man kann sie weder malen noch zeichnen, und selbst mit den modernsten digitalen Mitteln kann man den Zugriff der Hand des Künstlers auf den Druckstock nicht ersetzen.
Wer die Technik beherrscht, der schafft mit einer Druckgrafik nicht ein Original und von diesem Reproduktionen, sondern in der limitierten Auflage eine genau definierte Zahl von identischen Originalen.
Die digitale Welt hat aber auch eine bedeutende Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten im künstlerischen Druck mit sich gebracht. Nicht nur der einfache Ausdruck von Vorlagen wurde erleichtert, sondern die Bewegung des „post digital printmaking“ eröffnete durch die Verschränkung von digitalen Fertigungstechniken mit den traditionellen kunsthandwerklichen Methoden völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten.
So erweist sich die Druckgrafik als demokratische Möglichkeit der Kunstproduktion auf der Höhe der Zeit: Ihr Ziel ist nicht die Schaffung von Fetischen der Finanzspekulation, sondern von ausgereiften Kunstwerken zu ökonomisch vertretbaren Preisen.